LANGENDORFS DIENST - Leichter führen im Buchhandel



Hallo ,

der Ärger um Zeitfracht zieht weitere Kreise und offenbart ein altes Problem, das von Stuttgart mit nach Erfurt umgezogen ist: Eine Mischung aus Hybris und Nicht-Kommunikation. Es trifft nun auf enge Marktbedingungen.

Die heutigen Themen:

  • Bücherpreise stagnieren vierten Monat in Folge
  • Zeitfracht: Krise als Kommunikationsproblem
  • Tipp des Tages: Google Fonts prüfen

Ihr
Matthias Koeffler
Krefeld, den 13.10.2022

Nächste Aktualisierung: Freitag, ca. 14 Uhr

 


 

Bücherpreise stagnieren vierten Monat in Folge

Bücherpreise stagnieren vierten Monat in Folge

Während die Inflationsrate neue Rekordhöhen erreicht, stagniert die Entwicklung der Bücherpreise weiterhin. Im September hat sie nach den Angaben des Statistischen Bundesamts (Destatis) sogar wieder einen Rückschritt gemacht.

Demnach sind die Preise für Bücher im neunten Monat um 2,4 Prozent gestiegen. Kumuliert zwischen Januar und September bleibt es durch Rundungseffekte damit auf dem Niveau der drei Monate zuvor von plus 2,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im August betrug der Preiszuwachs noch 2,8 Prozent.

Das Amt bestätigte hingegen die Höhe der im Voraus mitgeteilten Inflationsrate von 10,0 Prozent. Kumuliert erreicht sie damit die Marke von plus 7,0 Prozent. Sie läuft der Bücherpreisentwicklung damit weit voran.

In den weiteren buchhandelsnahen Branchen änderten sich die Preise bei:

  • Zeitungen und Zeitschriften: plus 6,1 Prozent (kum.: plus 5,3 Prozent)
  • Andere Druckerzeugnisse: plus 3,0 Prozent (kum.: plus 3,8 Prozent)
  • Schreibwaren und Zeichenmaterialien: plus 10,9 Prozent (kum.: plus 7,2 Prozent)
  • Spiele, Spielzeug und Hobbywaren: plus 0,7 Prozent (kum.: plus 5,3 Prozent)

Im gesamten Bereich Freizeit und Kultur verteuerten sich die Aufwendungen im September um 5,9 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat (kumuliert: plus 5,7 Prozent).

Ein Ende der Preissteigerungen ist nicht in Sicht: Die Preise für Energieprodukte lagen im September 2022 um 43,9 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats (August 2022: plus 35,6 Prozent).

Die Preise für Nahrungsmittel erhöhten sich im September 2022 um 18,7 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat und damit stärker als die Gesamtteuerung. Insgesamt hat sich der Preisauftrieb hierfür seit Jahresbeginn sukzessive verstärkt (August: plus 16,6 Prozent), so Destatis.

Der gesamte Handel mit Waren zieht nun nach: plus 17,2 Prozent. Die Preise von Gebrauchsgütern stiegen um 5,9 Prozent (darunter Möbel und Leuchten: plus 9,1 Prozent; Fahrzeuge: plus 9,0 Prozent).

LD

 


 

Zeitfracht: Krise als Kommunikationsproblem

Der LD-Bericht über Zeitfracht zieht Kreise. Zahlreiche weitere Buchhandlungen meldeten sich mit viel Zustimmung bei LD. Aufseiten der Verlage und der Buchhandlungen hat sich viel Ärger aufgestaut, der sich jetzt Bahn bricht. Gestern hat Zeitfracht ohne Bezug auf den LD-Bericht einen Brief an die Kundinnen und Kunden geschrieben. Dieser sorgt auf einigen Seiten nun für zusätzlichen Ärger und offenbart auch ein bereits angesprochenes Grundproblem: Kommunikation. Möglicherweise platzt nun eine Blase, die sehr grundlegende Herausforderungen im Umgang mit Krisen offenbart, für die Lösungen gefunden werden müssen.

In dem Brief weist Zeitfracht auf die Herausforderungen im Transportbereich hin. „Zigtausende“ LKW-Fahrer würden fehlen, starten die Erfurter ihr Schreiben. Es beginnt mit einer Anklage („wir hatten Sie vor zwei Wochen über die Herausforderungen in unserem Transportbereich informiert“), mündet in einer Rechtfertigung („Sie alle sind über die Medien von den zigtausend fehlenden LKW-Fahrern informiert.“) Das Bedauern kommt dann am Schluss. Die umgekehrte Reihenfolge zeigt eine hohe Anspannung.

Wörtlich heißt es: „Als größter Transporteur der Buchbranche sind wir von dieser Problematik mit als erstes Unternehmen betroffen. Das bedeutet, wenn kurzfristig eingeplante Touren aus unserem Transportnetzwerk ausfallen oder wenn wir sehr kurzfristig mit ungeplanten Volumen konfrontiert werden, können wir das nicht immer sofort mit anderen oder zusätzlichen Transporteuren kompensieren. Dann entsteht ein Bearbeitungsstau, den wir in Folge nur sukzessive über einen etwas längeren Zeitraum abarbeiten können.“

Eine Aussage, die nun bei Sigloch und den Verlagen, die über die HGV ausliefern, für Ärger sorgt. Wie zu hören ist, ruft das jetzt auch die oberste Geschäftsführerebene bei Holtzbrinck auf den Plan. Entsprechende Gespräche sind anvisiert, die HGV will mit einem eigenen Statement reagieren. Nicht zuletzt auch, weil die Vertriebsleiterinnen und -leiter der Verlage ebenfalls Druck machen.

So viel dringt bis jetzt durch: Um die Lage zu entspannen, wurde die HGV-Ware an Thalia-Ware ausgeschleust und diese extra ausgeliefert. Damit konnte der Stau abgebaut werden. Das Ergebnis war aber, dass bei Thalia der Bestseller Precht/Weiler im Fenster lag, während bei anderen Buchhandlungen die Meldenummer 21 blieb.

Tatsächlich deutet vieles darauf hin, dass vor allem Zeitfracht überlastet ist. Denn ob es nur an den LKWs lag, ist auch noch offen. Ein starker Hinweis für die Überforderung von Zeitfracht ist, dass nach Angaben der VVA mehrere hundert Paletten in Gütersloh für Zeitfracht zwischengelagert werden mussten. Aus historischen Gründen liefert die VVA, anders als die HGV, die Ware in Erfurt mit eigenen LKWs an. Doch die VVA erhält keine Anlieferungsslots. Offenbar kann auch das Zeitfracht-Lager die Kapazitäten nicht aufnehmen.

Ganz nebenbei: Die Einlagerung zahlen die Verlage, die ist nicht im Preis inbegriffen.

Weiter heißt es im Brief: „Mittlerweile hat sich die Verzögerung zumindest bei den Novitäten aufgelöst und Sie sollten entsprechend bei uns disponieren können.“ Eine glatte Fehlinformation: Reihenweise kamen bei LD gestern Screenshots an, dass der Spitzentitel Precht/Welzer immer noch mit Meldenummer 21 (noch nicht erschienen) gelistet wird. Er kann also immer noch nicht bestellt werden.

Einblicke in die Media Control-Zahlen, die uns übermittelt werden, zeigen, dass das Verhalten nun auch den Erfolg von S. Fischer gefährdet: Letzte Woche war Precht/Welzer noch mit 10.000 verkauften Exemplaren verzeichnet, diese Woche waren es weniger als 8.000. Mit anderen Worten: Der Bestseller kann seine Kraft nicht entwickeln.

Die Vertriebsleiter treibt das den Schweiß auf die Stirn: „Wir stehen im hohen Wettbewerb mit anderen Verlagen: Wenn die Autoren die Bücher nicht in den Buchhandlungen sehen bzw. der Verkauf aus logistischen Gründen behindert wird, dann werden wir diese Autoren verlieren“, schildert ein Vertriebsleiter die Konsequenzen. Die Verlage steuern ein minutiöses Marketing und die Logistik mache das dann alles zunichte, ärgern die sich.

Und auch die Aussage, „größtes Transportunternehmen der Buchbranche“ zu sein, ist inzwischen zweifelhaft: Bei einer der größten Verlagsauslieferung in der Branche hat Zeitfracht nur noch den zweitgrößten Anteil – nach Libri.

„Dass jemand Probleme hat, kann jeder verstehen“, so eine Vertrieblerin, „das Problem ist das hohe Ross, auf dem sie sitzen. Sie sagen, wir können alles, wir holen uns Thalia, wir übernehmen die vollständige Belieferung der Buchhandlungen – aber kriegen ihre Hausaufgaben nicht erledigt.“ Dazu passt, dass der Brief auch mit „wir“ beginnt.

Eine Haltung, die auch viele Sortimenter beklagen. „Wozu muss man mit Adler seine Flächen auslasten, wenn man noch nicht einmal die Buchlogistik hinkriegt?“, lautet die Frage. Ein altes Problem ist von Stuttgart mit nach Erfurt umgezogen: Die Mischung aus Hybris und Nicht-Kommunikation. Sie trifft jetzt auf enge Marktbedingungen.

Bei Zeitfracht lassen sich offensichtlich die Beschwerden nicht mehr managen. Viele Buchhändlerinnen und Buchhändler erreichen ihre Kundenbetreuung nicht mehr. Bei Anrufen klingeln die Telefone durch. Wer erreicht wird, wurde offenbar mit falschen Informationen ausgestattet. Sigloch habe zu wenig LKWs bestellt, musste sich jemand anhören. Mit dem Gegenteil konfrontiert, bricht es aus der Kundenbetreuerin heraus: „Wir erfahren hier nichts richtig, ich bin total angepi***“.

Dass der Handel geduldig reagieren kann, hat er im Schulbuchgeschäft bewiesen. Eine Buchhändlerin hat 10 Wannen an Barsortimentsbestellung vor sich hergeschoben. Das war nicht das Schulbuch, sondern Zusatzbestellungen an Arbeitsheften und Titel aus dem Nachmittagsmarkt. Sie hat sich nicht beklagt, sondern Kundenverluste und Negativbewertungen stoisch ertragen und meldet sich erst jetzt bei LD.

Richtig ist: Die Probleme sind tiefer und bei Zeitfracht kommt derzeit viel zusammen. Was genau, kann nur spekuliert werden. Zeitfracht muss mit der Übernahme seinen Weg aus der Krise gehen, dafür müssen Kosten gespart werden. Damit das Unternehmen wachsen kann, müssen mehr Kundinnen und Kunden gewonnen und neue Geschäftsmodelle entwickelt werden. Da wird zunehmend Spitz auf Knopf genäht.

Nun rückt ein nach hinten verschobenes Schulbuchgeschäft, zumindest im Süden, mit der Novitätenauslieferung für den Herbst zusammen. Hinzu kommt, dass Thalia nach dem Ende des Geschäftsjahres im September seine Einkäufe Ende September hochgefahren hat.

Das trifft nun auf eine Lage, in der derzeit die Kräfte hinter den Lenkrädern der LKWs, aber auch an den Kommissionierbändern fehlen. Im Moment sind flexible Einsätze nur schwer möglich.

Deshalb hält auch Stephan Schierke, Vorsitzender des Zwischenbuchausschusses im Börsenverein, ein wenig die Hand darüber. „Die Probleme, die Zeitfracht hat, können andere Marktteilnehmer auch bekommen“, sagt er. Doch er mahnt: „Wir müssen da jetzt eine Lösung finden und die lässt sich nur mit offener Kommunikation erreichen.“

Die Krise trifft in ein digital ausdifferenziertes Zusammenspiel von Lagerhaltung und Logistik. In Zeiten ohne Krise ermöglichte die Digitalisierung eine genauere Steuerung des Warenflusses. Schon den ganzen Sommer über bemängeln die Verlage, dass die Barsortimente, aber auch der Buchhandel zu vorsichtig einkaufen.

Kleinteilige Nachbestellungen erhöhen das Transportvolumen und vermehren die LKW-Fahrten. „Wir haben das Weihnachtsgeschäft immer gut hingekriegt, ob uns das dieses Jahr gelingt, kann ich nicht versprechen“, sagt auch Schierke als VVA-Chef. Wer also im Weihnachtsgeschäft sichergehen will, muss sich seine Aufträge evtl. noch einmal ansehen und frühzeitig ordern.

Doch erst einmal muss nun eine Kuh vom Eis. Dass sie dort steht, macht der Branche viele Sorgen. Es weckt Erinnerungen. Die KNV-Krise fing auch im Weihnachtsgeschäft an. Und alle wissen, bei der Krise, die Zeitfracht als Gründe nennt, sind auch die Handlungsspielräume der anderen begrenzt. Die Beteuerungen, man würde das Weihnachtsgeschäft hinkriegen, glaubt nach diesen Kommunikationsdesaster niemand mehr so richtig. Zeitfracht braucht im Weihnachtsgeschäft dringend überzeugende Taten hinter den Worten.

LD

 


 

Tipp des Tages: Google Fonts prüfen

Die Einbindung von Google Fonts in webseiten stößt zunehmend auf rechtliche Probleme. Das Landgericht München I hat am 20.01.2022 in seinem Urteil (Az.: 3 O 17493/20) die Rechtswidrigkeit der Remote-Einbindung von Google Fonts bestätigt. Seither hätten die Abmahnungen deutlich zugenommen und immer mehr Privatpersonen und Abmahnkanzleien nutzen das Urteil, um Schadensersatz zu fordern, schreibt das Portal e-recht.de. Mit der Einbindung können nutzerbezogene Daten übermittelt werden. Das Portal bietet eine kostenlose Überprüfung an, ob die eigene Webseite DSGVO-konform ist:

LD

 


 

Impressum
LANGENDORFS DIENST
Hg.: Matthias Koeffler
Von-Ketteler-Straße 140 · 47807 Krefeld
Tel.: 02151 - 780 71 53 · Fax: 02151 - 780 71 54
briefe@langendorfs-dienst.de · www.langendorfs-dienst.de
USt-Id DE229709302